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Zur Lage der Physiotherapie - München, den 14.7.2018

 

Alle reden vom Fachkräftemangel in der Pflege!

 

Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege“ wollen  Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU), Bun­des­fa­mi­lien­mi­nis­terin Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) den Pflegeberuf stärken.

·           Schon auf den Weg gebracht hat Spahn ein Milliardenpaket, das 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege vorsieht.

·           Darüber hinaus sollen Auszubildende ab 2020 kein Schulgeld mehr zahlen.

·           Stattdessen sollen sie eine Ausbildungsvergütung erhalten.

·           Als Anreize für verstärkte Rückkehr von Teil- in Vollzeit sind steuerfreie Prämien bis zu 5000,- € im Gespräch. Die Gehälter sollen deutlich steigen, die Arbeitsbedingungen attraktiver gemacht werden.


Und wie sieht es im Bereich der Physiotherapie aus?

Erst jetzt wird der Öffentlichkeit langsam klar, dass der Fachkräftemangel auch in der Physiotherapie enorme Ausmaße angenommen hat.  Im Juni löste dieser einen wahren Boom in der Medienberichterstattung aus:

Die Süddeutsche Zeitung vom 1. Juni 2018 berichtet über das Fachkräfteproblem. http://www.sueddeutsche.de/bayern/fachkraeftemangel-bayern-gehen-die-physiotherapeuten-aus-1.3996957

Auch der Bayerische Rundfunk nahm sich des Themas an. Gedreht wurde u.a. in der Praxis Esebeck:

https://www.br.de/mediathek/video/schlechte-gesundheitsversorgung-mangel-an-physiotherapeuten-av:5b1862fc4c4c850018cb7951

Darüber hinaus berichtete auch die Frankenpost, die Passauer Neue Presse…

Und auch auf Bundesebene gab es zu diesem Thema einen Medienbericht nach dem anderen.

Die Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit bestätigt, was wir alle aus der täglichen Praxis wissen: Es gibt deutlich mehr offene Stellen in der Physiotherapie als Bewerber.  Der Fachkräftemangel in der Physiotherapie hat schon heute Auswirkungen auf die flächendeckende und wohnortnahe Patientenversorgung.

Sinkende Schülerzahlen bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Physiotherapeuten in der Versorgung der Patienten führen zu erheblichen Engpässen.

Etwa ein Drittel der ausgebildeten Physiotherapeuten wechselt den Beruf  aus Frustration wegen der überbordenden Bürokratie und unbefriedigender Arbeitsbedingungen.

Durch das 2017 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) sollen die Einnahmen der Heilmittelerbringer  in drei Stufen bis 2019 um 29- 32 % steigen (es geht hier um Einnahmen aus den gesetzlichen Kassen).


Diese verbesserte Vergütung wurde von der Politik zugestanden, weil die Erhöhungen Vergütungssätze der Krankenkassen über Jahrzehnte hinweg so bescheiden ausfielen, dass sie
unterhalb der durchschnittlichen Inflation blieben, von den für die Praxen anfallenden Mehrkosten ganz zu schweigen.

Die beiden ersten Stufen der Erhöhungen der gesetzlichen Kassen sind jetzt durchgeführt.

Diese an sich erfreuliche Entwicklung wurde jedoch konterkariert von der Kassenärztlichen Vereinigung, die ganz zufällig parallel zur ersten Erhöhungsstufe ein „Informationsschreiben“ an die Ärzte verschickte, in dem diese vor einem möglichen Regress gewarnt wurden, falls sie nicht „wirtschaftlich“ verordneten. In einer breiten Liste wurden dort physiotherapeutische Leistungen aufgeführt, die nur begrenzt verordnet werden sollten, wenn man sich nicht dem Risiko einer Überprüfung aussetzen wolle.

Die Konsequenz dieses Schreibens war, dass manche Ärzte aus Angst vor einem möglichen Regress nur noch Rezepte ohne Zusatzverordnungen wie Fango, Heiße Rolle, Eisanwendungen ausstellen. Statt „Manueller Therapie mit Fango“ bekommen die Patienten vielfach nur noch „einfache“ Krankengymnastik verordnet. Dies bedeutet im Endeffekt nicht eine Erhöhung um 20%, sondern eine erhebliche Minderung der bisherigen Behandlungserlöse. In den ambulanten Therapiepraxen werden die durch das HHVG beschlossenen Maßnahmen auch deswegen nicht ausreichen, um den Fachkräftemangel und daraus resultierende Versorgungsengpässe zu verhindern.

Und die Privatpatienten?

Die Sätze der gesetzlichen Kassen machen keinen Unterschied, ob eine Praxis auf dem Land oder in der Großstadt ihren Sitz hat. Die Kassen ignorieren dabei, dass sowohl die anfallenden Kosten für die Praxisbetreiber als auch die Lebenshaltungskosten der Angestellten in der Stadt deutlich höher sind. Dies werde jedoch durch den höheren Anteil an Privatpatienten ausgeglichen.

 

Dazu hier nur Folgendes:

Die beihilfefähigen Höchstsätze für Beamte sind seit dem 1.1.2002 (kein Druckfehler!) nicht mehr erhöht worden. Diese letzte Anpassung ersetzte eine Regelung aus dem Jahr 1992 und war so gering bemessen, dass das Bundesministerium bereits im Jahre 2004 zugestanden hat, dass diese Höchstbeträge nicht kostendeckend sind!  Wenn man die Inflationsraten von 2002 bis 2018 incl. Zinsen zusammenrechnet, wäre eine Erhöhung um 38% notwendig, um nur die inflationsbedingten Verluste auszugleichen.

Die privaten Krankenversicherungen gehen zum Teil dazu über, die Erstattungen zu begrenzen, manche durch eine Kappung der erstattungsfähigen Sätze auf das Niveau der Beihilfe, obwohl Gerichte in zahlreichen Prozessen dies als rechtswidrig beurteilt haben.

                  

·         Angehende Physiotherapeuten müssen in den meisten Einrichtungen immer noch Schulgeld bezahlen.

·         Eine Ausbildungsvergütung, wie bei den Pflegeberufen angekündigt,  ist nicht vorgesehen.

·         Unsere Physiotherapeuten besuchen zahlreiche Fortbildungen (Manuelle Therapie, Lymphdrainage, Bobath etc.), die hohe Kursgebühren und einen erheblichen persönlichen Einsatz erfordern. Darüber hinaus müssen oft Urlaubstage geopfert werden und für die Praxis entstehen Umsatzausfälle.

·         Die Gehälter der Physiotherapeuten liegen dabei erheblich unter denen der Pflegekräfte. Die Zahlen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Bei Physiotherapeuten ist ein Durchschnittswert von ca. 2220,- € brutto ermittelt worden. Bei Pflegekräften werden Gehälter   von 2600,- € bis zu 3200,- € (für das Jahr 2016; Quelle: Stern v. 1.4.2018) angegeben.

·         Physiotherapeuten lieben ihren Beruf. Sie setzen sich für ihre Patienten ein, engagieren sich, bilden sich fort und haben ein hohes Berufsethos und ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Patienten!

 

Politik und Gesellschaft müssen Sorge dafür tragen, dass auch in Zukunft eine qualifizierte physiotherapeutische Behandlung möglich ist!